
Alles wird digital…
15.12.2022
Bei meiner kürzlichen Reise in die USA New York, Princeton, Baltimore, in Kanada, Toronto und Brampton ist mir aufgefallen, dass die gedruckte Tageszeitung kaum mehr wahrnehmbar ist. Die Zustellung der „New York Times“ an den Abonnenten beispielsweise erfolgt, dass die eingeschweißte Tageszeitung einfach auf den Gehsteig vom Auto herausgeworfen wird. Jeder Passant könnte sie aufheben und mit sich nehmen.
Das macht aber niemand. Diese Vertriebsform ist wohl grenzwertig im Sinne des für sein Print-Produkt zahlenden Kunden.
(Foto New York Times am Gehsteig)
Zeitungs-Kioske verkaufen alles, nur keine Tageszeitungen mehr. Selbst am Broadway, am Times Square in New York oder in Toronto Downtown am Eaton Center sucht man vergeblich nach Möglichkeiten, die gedruckte Zeitung kaufen zu können.
Anders sieht die Situation in beiden Staaten bei General-Interest- und Special-Interest-Zeitschriften aus. Eine Fülle über alle Interessensgebete hinweg steht beispielsweise Hunde- und Katzen-Liebhabern, Autofans, Sport-und Flugzeug-Enthusiasten, Mode-Freaks etc. in höchster Zeitschriften-Qualität zur Verfügung.
Die Zeitung erreicht den – noch? – interessierten US-Leser fast ausschließlich über das im täglichen Leben rund um die Uhr allgegenwärtige Smartphone. Die Zahl der zahlenden US-Digital-Abonnenten eilt europäischen den europäischen Zeitungs-Absatzmärkten um Lichtjahre voraus. Die rund 50% Erlöse der „New York Times“ aus Digital-Angeboten sprechen eine deutliche Sprache.
Die erdrückende Vielfalt der rund um die Uhr laufenden TV-Kanäle verschiedenster Orientierung und politischer Ausrichtung stellt neben den Internet-Angeboten die Basis der an europäischen Verhältnissen unterentwickelten Breitenkommunikation dar.
Kommt diese Entwicklung auch zu den hochentwickelten Zeitungsregionen nach Europa?
Das wäre zu befürchten, dennoch ist es in dieser Ausprägung zu so einseitigem Medienkonsums vor Ort in West- und Mitteleuropa nicht zu erwarten, da dies das wirtschaftliche Ende der freien Tageszeitung bedeuten würde.
Mit gravierenden Folgen für eine atmende Demokratie der kritischen und freien Meinungsvielfalt.
Die Digitalisierung hat bereits in anderen Wirtschaftszweigen breiten Raum ergriffen. Am Beispiel des Flughafens Frankfurt musste ich feststellen, dass am zweitgrößten Flughafen nach London-Heathrow kein einziger! Personell besetzter Lufthansa-Schalter für eine Umbuchung Ende Oktober 2022 zur Verfügung stand.
Das überfrachtete Lufthansa-Internetportal ist keine wirkliche Hilfe. Als 35 Jahre, bis zum heutigen Tage sehr zufriedener, treuer Lufthansa-Kunde, Senator-Status und heute Frequent-Traveller-Status, habe ich mich an den Frequent-Traveller-Service wenden wollen. Wartezeit mehrfach zwischen 28 und 50 Minuten bei grässlicher Wartemusik. Resultat am Ende der Wartezeit: „Danke, dass Sie gewartet haben. Aber für diese Frage bin ich nicht ausgebildet…“
Also – wieder zurück ins so unpraktisch und kundenfern aufgebaute, überforderte Lufthansa-Webportal…
In New York existiert auf Manhattan kein Stadtbüro der Lufthansa mehr… Self-check-in der Gepäckstücke mit allen real existierenden Fehlermöglichkeiten sind fast auf allen Flughäfen eine „Selbsverständlichkeit“ geworden.
Auch eine Erkenntnis, dass der persönliche Kontakt zum zahlenden Kunden gar nicht mehr gewollt ist.
Seit diesem Zeitpunkt stehe ich den nachhaltigen Folgen der vollen Digitalisierung des täglichen Bedarfs als früher begeisterter Förderer dieser umfassenden elektronischen Möglichkeiten sehr kritisch beobachtend gegenüber.
Wenn schon der gläserne Mensch und Bürger die nahe Zukunft unserer Gesellschaft sein soll, dann soll es wenigstens sicher und kundennah serviceorientiert funktionieren.
Bei der zwischenmenschlichen Kommunikation der dann nur mehr digital vernetzten Gesellschaft wird es dann sehr still werden.
Einsam. Gespenstisch. Kalt.
-karma-
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